Unsere Prinzipen

Diese Prinzipiensammlung versucht, das Wesen des Gemeinschaftsnetzwerks um die Fuchsmühle abzubilden. Die Prinzipien sind Leitlinien für unser Handeln, beschreiben den Boden für unsere Kultur und können bei Entscheidungen und Konflikten als Orientierung herangezogen werden. Wie ein knorriger Haselnussstrauch sind unsere Prinzipien ein wachsendes, veränderliches und unvollkommenes Gebilde. Wir erheben keinen Anspruch auf Perfektion oder absolute Gewissheit, sondern hinterfragen unsere Prinzipien und unsere Praxis immer wieder auf neue und passen sie an. So ist unsere Einladung, die folgenden 16 Prinzipien sowohl mit Ernsthaftigkeit als auch mit einer Prise Skepsis und Schmunzeln zu lesen.

Unsere VisionGlossar
Uns in die Region einweben statt aussteigen

Wir sind kein strikt abgetrenntes Gemeinschaftsprojekt in Alleinlage, das exemplarisch gutes Leben vorführt. Vielmehr bilden wir einen lebendigen Organismus, der sich mit den Menschen und dem Bestehenden in der Region verwebt, überlappt und verbindet.

Fragen, die uns dabei begleiten, sind etwa: Was gibt es hier? Was brauchen wir hier in der Region? Wie können wir mithelfen, die Strukturen zu pflegen und aufzubauen, die ein erfülltes, resilientes und vielfältiges Leben ermöglichen? Welche Antworten finden wir hier und heute für den überfälligen Systemwandel?

Das bedeutet, dass wir anstreben miteinander zu reden, auch wenn wir verschiedene Lebenserfahrungen und Meinungen haben, statt uns hinter dem eigenen Lager von Weltanschauungen zu verschanzen und Gräben zu vertiefen. Wir streben nicht nach Autarkie, sondern suchen nach regionalen Lösungen: Statt vom Selbstversorgungsgarten träumen wir von regionalen, solidarischen Versorgungsstrukturen jenseits vom Markt; statt autarker Energieversorgung wollen wir die lokale Energiewende voranbringen. Wir streben an uns in bestehende Strukturen wie Verwaltung, Betriebe und Vereine einzubringen, vorhandene Infrastrukturen (mit)zu nutzen und Leerstand mit neuem Leben zu füllen. Im Spannungsfeld von Radikalität und Anschlussfähigkeit suchen wir ausgefuchste Lösungen und gestalten Räume in denen sich Neues, Ungeschützes und Halbdurchdachtes ausprobieren darf.

Wir haben die Hoffnung, mit unserem Handeln zu einem immer dichter werdenden solidarischem Netz aus Menschen, Orten, Projekten im Werra-Meißner-Kreis und in Waldkappel beizutragen, die ein gutes Leben für Alle erproben. Wir wollen ein integraler Bestandteil dieses florierenden und vielfältigen Biotops sein.

Trickreich sein - Risse finden & mit Commoning füllen

Im bestehenden System bilden sich Risse. In diese möchten wir hinein lauschen, und entstehende Freiräume gestalten – mutig, gemeinschaffend und widerständig.

»Wir müssen die Welt nicht erobern, es reicht sie neu zu erschaffen«, sagen die indigenen Zapatistas und drücken damit eine widerständige Haltung aus, die versucht, mit der patriarchalen Erzählung der Eroberung zu brechen. “There is a crack in everything, that is where the light gets in” (Leonard Cohen). Durch alles ziehen sich Risse. So kommt das Licht hinein. In den Rissen, die im Asphalt klaffen, wachsen steinzersetzende Moose und Flechten; in den gesellschaftlichen Rissen bilden sich widerständige Momente und gemeinschaffende Nischen. Wir wollen nicht das Bestehende stabilisieren oder Risse flicken, sondern entstehende Freiräume zuhörend und mutig gestalten – in dem Wissen, dass Probleme sich nicht mit derselben Denkweise lösen lassen, die sie geschaffen haben. Das Nichtwissen in diesen Zwischenräumen auszuhalten, kann sich unangenehm anfühlen; es ist gut, darin nicht allein zu sein. Gemeinsam versuchen wir, auf die Notwendigkeiten in unserem direkten Umfeld commonsgemäße Antworten zu finden.

Den Keim einer befreiten Gesellschaft anlegen

Wir versuchen Samenkörner zu sein für eine Utopie, die wir bereits erahnen können.

Mit dem Aufbau von Commons säen wir heute Samen, von denen wir glauben, dass sie den revolutionären Keim einer neuen Welt enthalten. So steht auf Protestbannern von Mexiko bis Lützerath: »They tried to bury us, but they didn’t know we were seeds«. Wichtiger Teil einer radikalen gesellschaftlichen Transformation ist es, Samen in die Erde zu geben, Keimlinge zu wässern, sie vor Zerstörung zu bewahren, und auch geduldig und vertrauensvoll warten zu können. Mit Commoning säen wir Samen des Kooperierens statt des Konkurrierens, des Fürsorgens statt des Verwertens, der Augenhöhe statt der Herrschaft, der Bedürfnisorientierung statt der Profitorientierung.

In einer Welt, in der die Logik des Kapitals immer wieder zur Begrenzung und Zerstörung von Commons führt, können sie nur selten groß und laut werden. Doch auch in einer solchen Welt können Commons wirkmächtig sein. Ihre Macht liegt im qualitativen Bruch mit bestehenden Herrschaftssystemen. Sie liegt darin, dass Commons auf eine Welt verweisen, in der ein gutes Leben für alle eine Selbstverständlichkeit ist. Sie lassen uns diese Welt im Hier und Jetzt erahnen, stiften Hoffnung, Ausrichtung, und auch Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Das Fuchsmühlennetz ist keine reine Keimform der Utopie, genauso wie es nicht die eine “Utopie” gibt. Wir sind Teil einer kapitalistischen, patriarchalen, rassistischen Gesellschaft, und durchdrungen von ihren Logiken. Jedoch streben wir danach, die Kräfte des Gemeinschaffens und des Fürsorgens zu stärken und Logiken von Markt, Dominanz und Eigentum zurückzudrängen.

Beitragen statt vermarkten

In unserem Netzwerk wollen wir möglichst viel frei beitragen, austauschen und schenken, statt uns zu bezahlen oder Dinge gegen feste Preise zu tauschen.

Uns allen wird das Leben geschenkt, und alles Lebendige schenkt sich uns, unser ganzes Leben lang. Im Gegensatz dazu steht die Tauschlogik: Ich gebe dir nur etwas, wenn ich jetzt auch etwas von dir bekomme, was in einem abstrakten System (z.B. Geld) den gleichen Tauschwert hat.

Auf globaler Ebene ist diese Tauschlogik in der Marktwirtschaft abgebildet. Ressourcen werden dabei nicht nach Bedürfnissen, sondern nach Zahlungsfähigkeit verteilt, und dabei künstlich verknappt. So werden reichlich Lebensmittel produziert, doch verteilt werden nur jene, die auch bezahlt werden – die anderen wandern zum Großteil auf die Mülldeponie. Um für unsere Grundbedürfnisse sorgen zu können, müssen wir also zahlungskräftig sein – und unsere Zeit und Arbeitskraft verkaufen. So ist es nahegelegt, nur dann tätig zu werden, wenn es Geld dafür gibt – und nicht weil wir etwas als notwendig oder lustvoll empfinden.

Tauschlogik ist eine Grundsäule des Kapitalismus, in dem das vielfältige Leben auf diesem Planeten ausgebeutet wird, Menschen voneinander getrennt, und Tätigsein zu sinnentleerter Lohnarbeit gemacht wird. Sie hat uns geprägt, und sie schleicht sich in unsere persönlichen Beziehungen und die Strukturen ein, die wir aufbauen. Wir erfinden Hacks und sind trickreich, um die Versorgung von Bedürfnissen ins Zentrum zu stellen, und immer mehr Bereiche unseres Lebens wieder an den Fluss der freien Gaben anzuschließen.

Fürsorgen und Pflegen statt vernutzen und erobern

Wir wollen uns gemeinsam um Lebensnotwendiges kümmern.

Unsere Vision ist ein Zusammenleben, in dem das gemeinsame Sorgen für das Lebensnotwendige im Zentrum steht. Wir glauben nicht an Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle, die ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstören, die strukturell darauf fußen, immer weiter zu wachsen und Menschen und mehr-als-menschliches Leben auszubeuten. Statt immer mehr Kapital anzuhäufen, wollen wir immer mehr Fürsorge fließen lassen. Durch eine fürsorgende Haltung verändert sich das Handeln selbst: Dinge werden nicht irgendwie, sondern schön, nährend und beziehungswahrend getan. Fürsorge zu leisten ist oft anstrengend und wird gesellschaftlich unsichtbar gemacht. Geschichten des Fürsorgens und Pflegens werden viel seltener erzählt als Geschichten von erobernden Helden. Dabei ist Fürsorgen die Grundlage unseres Lebens, und immer sinnvoll. Wie kann gesellschaftliche Transformation selbst ein Akt der Fürsorge sein?

Membranen gestalten & Schnittstellen hüten

Um Gemeinschaffen entstehen zu lassen und zu schützen, müssen wir an den Schnittstellen zu Staat und Markt umsichtig sein.

In Keimformen (Projekten und Praktiken, in denen andere Gesellschaftsformen im Keim angelegt sind) trifft an den Membranen die Logik des Gemeinschaffens auf die Logik von Staat und Markt. Um unsere emanzipatorische Kraft zu behalten, müssen wir verhindern dass Markt- und Staatslogik in unsere Strukturen sickert, müssen wir Commons und Kommerz auseinanderhalten, und Einhegungen dazwischenfunken. Menschen, die an Schnittstellen arbeiten (in der Buchhaltung, in Lohnarbeit, beim Schreiben von Förderanträgen) bedürfen des Schutzes und der Sorge, um vom Zwiespalt dieser Logiken nicht zerrissen zu werden und sich in Verwandlungskunst üben zu können. An Schnittstellen ist es wesentlich, die Unterscheidungskunst zu beherrschen, Muster des Kapitalismus, des Staates und des Commonings zu erkennen und sich je nach Gegebenheit zu verkleiden, zu übersetzen oder die Commonie mutig zu beschützen.

Gegenseitig Ermächtigen statt Konkurrieren um Macht

Statt »Macht-über« (herrschaftsförmige Macht), versuchen wir »Macht-mit« (ermächtigende, kreative Macht) zu fördern.

Wir alle können machtvoll sein, und uns gegenseitig ermächtigen. Macht wird zum Problem, wenn damit Gewalt ausgeübt wird und statische Hierarchien entstehen, die gemeinstimmige Entscheidungsprozesse und Informationsflüsse behindern, Ressourcenverteilung ungerecht beeinflussen und die Selbstermächtigung aller untergraben. Wenn wir uns aber aus Angst, zu kurz zu kommen, gegenseitig blockieren, laufen wir Gefahr handlungsunfähig zu werden, und den Genuss unserer vielfältigen Kompetenzen und versteckter Zauberkräfte zu verpassen. Wir wollen deswegen mit Macht, Rang und Hierarchien bewusst umgehen und struktureller Machtanhäufung, starren Hierarchien und der Reproduktion von Herrschaftsansprüchen entgegenwirken. Beispielsweise schaffen wir Transparenz über Prozesse und Ressourcen und treffen möglichst gemeinstimmige Entscheidungen. So streben wir an, allen zu ermöglichen, machtvoll zu sein, und ihre Macht zum Wohle aller einzubringen.

Vernetzend statt skalierend: polyzentral

Unsere Strukturen sollen so wachsen, dass immer weitere Zentren, Vernetzungen und Informationsflüsse entstehen, anstatt zu einem zentralen Verwaltungsapparat zu werden.

Polyzentralität beschreibt Organisationsformen, in denen es mehrere Zentren gibt.

Wir streben an, Entscheidungen auf der möglichst kleinsten Ebene (der Wohngemeinschaft, der Nachbarschaft, des Dorfes, der Region) zu treffen – mit denjenigen, die von einer Entscheidung betroffen sind. Elemente von Zentralität entstehen nur da, wo sie wirklich Sinn ergeben – um Kräfte zu bündeln, oder um in komplexen Prozessen mit vielen Menschen handlungsfähig zu sein. So kann beispielsweise eine Großgruppe einem kleineren Personenkreis ein Mandat für bestimmte Planungen und Entscheidungen aussprechen, und auch wieder entziehen.

In hierarchischen Systemen wie dem Militär, vielen Unternehmen, Regierungsbehörden oder der Schule werden Entscheidungen meist zentral und von oben nach unten getroffen. In polyzentralen Systemen wie Gemüsegärten, sozialen Bewegungen oder vorindustriell gebauten Städten gibt es häufig mehrere Zentren, auf die Autorität und Entscheidungsmacht verteilt werden.

Wachstum unserer Strukturen und damit verbundene Erhöhung von Komplexität organisieren sich also nicht um ein Zentrum herum, das dazu tendieren kann, sich zu einem immer schwergängigeren und machtvolleren Verwaltungsapparat zu entwickeln. Zentren, und Informationsflüsse zwischen ihnen, entstehen auf verschiedenen Ebenen und bei Bedarf neu. Deswegen ist unser Netzwerk nicht auf eine Größe beschränkt: Ziel ist nicht, unsere Strukturen auf beliebige Maßstäbe zu skalieren, so wie man einen Luftballon aufpustet. Statt endlos zu skalieren, setzen wir auf Vernetzung und wollen wie ein Pilzmyzel weiterwachsen, neue Kreise, Verflechtungen, Informationsflüsse und Zellteilungen lebendig werden lassen.

Vielfalt nähren statt Privilegien verteidigen

Wir feiern Vielfalt, und wünschen uns ein gutes Leben für alle. Deshalb streben wir eine Kultur an, die möglichst sicher und ermutigend ist, insbesondere für Betroffene von Diskriminierungen.

Wir kommen mit unterschiedlichen Körpern, Lebenserfahrungen und Zugängen zu Ressourcen zusammen. Und wir haben verschiedene Positionierungen innerhalb gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Diese Verhältnisse schaffen den Bedeutungsrahmen, in den eingeordnet wird, wie wir andere sehen und verstehen, wie wir gesehen und verstanden werden. Sie führen dazu, dass Menschen und andere Lebewesen aufgrund bestimmter Merkmale bevorteilt (privilegiert) und benachteiligt (diskriminiert) werden – ob absichtsvoll oder unbewusst. Sie stehen einem guten Leben für alle im Weg.

Um wirklich transformative Räume zu gestalten, möchten wir uns immer wieder fragen: Wie können wir Barrieren zum Fuchsmühlennetzwerk und zu Projekten in der Region abbauen? Welche Verhaltensmuster und Haltungen schaden unseren Beziehungen miteinander, und dem Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft? Wie können möglichst sichere und ermutigende Räume für Betroffene von Diskriminierungen aussehen? Was bedeutet es, Verantwortung für Privilegien zu übernehmen und zu verkörpern? Wie können wir eine Kultur des Feierns von Vielfalt wachsen lassen?

»Wenn du kommst, um mir zu helfen, verschwendest du deine Zeit. Wenn du aber kommst, weil deine Befreiung unauflöslich mit meiner Befreiung verflochten ist, dann lass uns zusammenwirken.« So formulierten es australische Murri-Aktivistinnen in den 1970er Jahren. Seither wandert dieses Motto durch die Welt und erinnert daran, dass der Prozess der Befreiung von Diskriminierungen uns alle angeht, und die Basis einer vielfältigen, resilienten, und kraftvollen Bewegung ist.

Zum Schutz dieser Vielfalt machen wir (uns) auf Gewalt aufmerksam und setzen Grenzen. So arbeiten wir nicht mit Menschen oder Organisationen zusammen, die für menschenverachtende Ideologien und rechtes Gedankengut eintreten. Wir treten für eine Welt ein, in der viele Welten Platz haben und ein gutes Leben für alle möglich ist.

Verwandtschaffend und bezogen statt vereinzelt konkurrieren

Wir erkennen an, dass wir einander wechselseitig brauchen und dass wir mehr sind als die Summe unserer Teile.

Nichts und niemand lebt losgelöst von allem anderen, nur durch einander und durch Fürsorgen und Gemeinschaffen sind wir lebensfähig. In einem Netz von Bezogenheit können wir uns gegenseitig tragen, uns fallen lassen und anderen emotionale Zuwendung schenken. Vertrauensvolle Beziehungen, mein Gegenüber an inneren Bewegungen teilhaben lassen, miteinander kuscheln und füreinander da sein – all das lässt uns erfahren, dass wir eben nicht alleine sind auf dieser Welt und nur für uns selbst kämpfen, sondern Teil sind eines größeren Ganzen.

Wenn die Vorstellung von abgetrennten rationalen Individuen, die auf dem Markt ihren Nutzen maximieren wollen, stirbt, sterben auch duale Vorstellungen von Geben/Nehmen, Egoismus/Altruismus, Individuum/Kollektiv. Die Protagonist:innen einer interdependenten Erzählung der Welt sind die Commoners. Dabei geht es nicht um ein romantisiertes Bild von Gemeinschaft, in der sich alle Menschen in Einklang aufgeben, sondern um ein wild wachsendes Gewebe an Bezogenheit, das von Auseinandersetzung, Diskurs und Konfliktfähigkeit genährt wird. Gemeinstimmige Entscheidungen gehen genau aus diesem manchmal widersprüchlichen Feld hervor, in dem alle Perspektiven und Bedürfnisse gehört werden. Wenn alle in dem, was ihnen wichtig ist, sichtbar werden, dann entsteht die Entscheidung häufig fast von selbst aus der gemeinsamen Mitte.

Natur Sein und den Planeten Achten

Wir möchten unsere materielle Versorgung vereinbar mit den Kapazitäten der Erde gestalten und uns in Beziehung zur mehr-als-menschlichen Welt einbetten.

Die Ökosysteme unserer Erde stecken in einer katastrophalen Krise, ausgelöst durch fortschreitende Zerstörung und Ausbeutung. In Anerkennung dessen versuchen wir, unsere Versorgung mit Lebensmitteln, Energie, Wohnraum, Mobilität und anderem Schritt für Schritt so umzugestalten, dass sie den vorhandenen Kapazitäten unserer Erde entspricht. Durch das Einüben von subsistenten Praktiken wie Reparieren, Recyclen, Sparsamkeit, Teilen, Selbermachen und den Aufbau von materiellen Strukturen, die diese Verhaltensweisen nahelegen, wollen wir das Vernutzen unserer Lebensgrundlagen reduzieren. Durch regenerative Landwirtschaft, das Wiederherstellen von Wasserkreisläufen, ökologisches Bauen und Sanieren, Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien und Schutz der Artenvielfalt wollen wir zur Regeneration der Ökosysteme beitragen. Dabei beziehen wir die Perspektive von globaler Gerechtigkeit ein: wir streben an, dass unsere Nutzung planetarer Ressourcen nicht die Lebensgrundlage anderer Menschen, insbesondere im globalen Süden, einschränkt und zerstört.

Zu einem tiefgreifenden Wandel gehört es für uns auch, unsere Beziehung zur mehr-als-menschlichen-Welt zu hinterfragen und neu zu finden. Wie können wir uns nicht mehr als getrennt, sondern als Teil von Natur erleben? Wie können wir unsere Abhängigkeiten von mehr als menschlichem Leben anerkennen und wertschätzen? Wie gestalten wir unsere Beziehung zu nicht-menschlichen Lebewesen? Wie können wir lebensdienlich umgehen mit unserer Bedürftigkeit, und unserer menschlichen Gestaltungsmacht? Alldem liegt die Überzeugung zugrunde, dass wir als Menschen wieder zu einem lebensdienlichen statt zerstörenden Teil der Erde werden können.

Teilsein und Unterstützen von sozialen Bewegungen

Wir begreifen uns als Teil einer jahrhundertealten, globalen sozialen Bewegung, die für eine Welt einsteht, in der ein gutes Leben für alle möglich ist. Mit dem, was wir aufbauen, möchten wir diese Bewegung unterstützen.

Den Weg in Richtung Utopie können wir nicht allein beschreiten. Es braucht viele, verschiedene Menschen an vielen, verschiedenen Hebeln. Die Transformation ist wie ein vielstimmiges Musikstück, das eine Geschichte der Hoffnung erzählt. Es kann nur dann Kraft entwickeln, wenn wir uns aufeinander abstimmen, einander zuhören, und uns unserer jeweiligen Stimme und Rolle bewusst sind.

In Transformationsprozessen spielen soziale Bewegungen seit jeher eine unverzichtbare Rolle. Mit dem Aufbau von handfesten Commons-Orten und langfristigen Strukturen möchten wir Teile der Bewegung unterstützen, die flüchtiger sind und von mehr Repressionen bedroht werden. Wir suchen aktiv nach Synergien zu Menschen, die an anderen Stellen für das Leben kämpfen, sich mit ihren Körpern der Megamaschine in Blockaden oder Besetzungen entgegenstellen, sich der Transformation juristischer Strukturen widmen oder sich in Betrieben und Krankenhäusern gegen die Zumutungen des Kapitalismus wehren.

Einbettung in der Geschichte für das Leben

Wir wollen uns verbinden mit der Landschaft, in der wir leben, und den Menschen, die vor uns für das Leben gekämpft haben.

Eine der stärksten Säulen, die Kapitalismus, Patriarchat und weiße Vorherrschaft aufrechterhalten, ist die Erzählung, dass wir losgelöst existieren von anderen Menschen, dem mehr als Menschlichen, und von unserem geschichtlichen Gewordensein. Selten haben wir Wissen über die widerständigen Geschichten all derer, die vor uns für eine befreite Gesellschaft einstanden. Wir haben dazu weder Bilder, noch emotionalen Bezug. Durch diese Entbettung fehlt uns der Boden dafür, gemeinsame (Widerstands)kraft zu entwickeln für eine Welt, in der ein gutes Leben für alle möglich ist.

Wir möchten uns deshalb fragen: Wie können wir uns miteinander, mit dem mehr als Menschlichen und mit der Landschaft um uns herum beheimaten? Wie können wir beheimaten als Verb verstehen im Gegensatz zur Heimat haben, die Eigentum wird und deshalb verteidigt werden muss?

An welchen Stellen sind wir Teil von Geschichten der Gewaltausübung, und wie können wir dafür wirklich Verantwortung übernehmen?

Wie können wir in Erzählungen, Bräuchen, Märchen und Orten Spuren der Geschichten für das Leben wiederfinden, und sie zu einer Quelle für unsere Kraft werden lassen?

Wir sind die Kinder der Hexen, die verbrannten

Der Ehelosen, die sie Heiden und Huren nannten

Wir sind die Füchse, deren Felder eingehegt wurden

Und die Bauersleute, die die Zäune zerschlugen

Wir sind die Körper, die die Fabriken besetzten

Deren Haare und Fett sich dem Korsett widersetzten

Wir sind die Rebellinnen, die man fast vergaß

Und das Myzel, das den Beton zerfraß

In unseren zarten und wilden Beziehungsweisen

Hören wir ihre Stimmen, die lauten und leisen

in unseren Keimformen führen wir ihre Kämpfe fort

Für jene Welt, die unsere Herzen betört

die man in leiser Stunde atmen hört.

Zyklisch regenerieren statt durchtakten und erschöpfen

Statt einem »höher, schneller, weiter« nachzuhechten, wollen wir uns auf das, was da ist, besinnen und die Rhythmen finden, die uns lebendig machen.

Gebären, Leben, Sterben, Vergehen, Kompostieren. Leben und die Regeneration von Leben finden in Zyklen statt, nicht auf einer Linie des Fortschritts. Eingebettet in die vier Jahreszeiten, versuchen wir uns hier im zyklischen Leben und haben Zeiten von Neubeginn, Öffnung, Einsammeln und Einkehr, in denen wir bewusst Räume der Dankbarkeit, des Bedauerns und der Leere schaffen. So wie mit der Entstehung des Kapitalismus das Allmendeland eingehegt wurde, wurde auch das Empfinden von Zeitlichkeit eingehegt. Lebendiges Zeitempfinden, wie die Einbettung in Jahreskreisfeste und subsistente Rhythmen im Tätigsein, wurden für die Lohnarbeit eingetaktet und auf dem Markt verwertet. Zyklische Wiederholung und Rhythmus bringen uns zusammen und geben uns Orientierung. Rhythmen verbinden menschliche und andere Lebendigkeiten miteinander, mit dem Leben und mit der Tiefe der Zeit.

Während die nimmersatte Wachstumslogik den Blick auf den Mangel richtet, stellt ein regenerativer Kreislauf die Genüge ins Zentrum und fragt: Welche Kapazitäten und Bedürfnisse sind hier und jetzt da?

Wendell Berry fasst dies poetisch zusammen:

Was wir brauchen, ist da

Gänse erscheinen hoch über uns,

ziehen vorüber, und der Himmel schließt sich. Hingabe

so wie in der Liebe oder im Schlaf – hält

sie in ihrer Bahn, klar

in uraltem Vertrauen: Was wir brauchen,

ist da. Und wir beten, nicht

um eine neue Erde und einen neuen Himmel, sondern darum,

im Herzen und im Auge still zu sein,

klar. Was wir brauchen, ist da.

Verkörpert und spürend statt nur mit dem Kopf durch die Welt

Wir streben an, den Gegensatz von Körper und Geist aufzuheben. Uns ist es wichtig unsere Gefühle und körperlichen Empfindungen neben unserem Verstand als wesentliche Bestandteile unseres Seins anzuerkennen.

Wir sind nicht nur durch unsere Idee, Gedanken und Gefühle miteinander verbunden, sondern auch auch durch unser körperliches Dasein. Wir wollen es in unseren Zusammenkünften ehren und verkörpertem Wissen vertrauen. Wir erforschen, wie wir wieder mehr spüren können, Taubheit lösen und den Empfindungen unserer Körper als legitime Quelle von Handlungsimpulsen nachgehen können. Das Zusammenspiel von Verstand und Verkörperung ist für uns die Basis von wirklich gemeinstimmigen, vielfältig informierten Entscheidungen.

Fragend, werdend, queer

Dinge hier wiederholen sich, sind unvollkommen, unfertig, immer im Prozess. Das ist okay.

Wenn wir versuchen, allzu feste Definitionen oder Identitäten über Menschen, Gedanken und Dinge zu stülpen, trennen wir uns vom Werden des Lebens. Nichts Lebendige ist je fertig, also muss das Unfertige kein Mangel sein, sondern kann auch eine adäquate Antwort auf den Zustand der Welt sein.

Diese Prinzipien, der Charakter des Mühlengebäudes, die (Geschlechts)Identität eines Menschen oder eine Gemeinschaft können sich verändern und immer neue Fragen auftauchen lassen. Sich Veränderung und Zwischenzuständen hinzugeben, bedeutet auch langweilige lineare Fortschrittsfantasien zu verlassen, in denen jede Entwicklung auf einen Zielzustand hinausläuft (z.B. die westliche Kultur, der gesunde Körper, der Nationalstaat, der rationale Erwachsene etc.). Stattdessen können wir mit dem wilden Leben tanzen, Wiederholungen und Unvollkommenheit umarmen und nach den richtigen Fragen statt den richtigen Antworten suchen. Wie finden wir Orientierung und Halt in der stetigen Wandlung und Improvisation?